Verkehrssicherungspflicht für Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer

Umgestürzter Baum hängt schräg in einem Waldbestand

Foto: L. Straßer

Die Verkehrssicherungspflicht obliegt jedem Waldbesitzer. Welche Sicherheitsvorkehrungen muss ein Waldbesitzer treffen, um andere Personen vor Schäden zu bewahren?

Im Folgenden sollen die wichtigsten Punkte der Verkehrssicherungspflicht, die jedem Waldbesitzer obliegt, angesprochen werden.

Ursprung der Verkehrssicherungspflicht

Grundlage der Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht ist § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der mit der Überschrift „Schadensersatzpflicht“ betitelt ist: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Es gibt leider keine explizite Regelung der Verkehrssicherungspflicht.

Dies bedeutet, dass die Pflichten des Waldbesitzers von der laufenden Rechtsprechung, also im Einzelfall gesprochenen Urteilen, abgeleitet werden. Dabei gilt folgender Grundsatz: Wer in seinem Verantwortungsbereich Gefahrenquellen schafft oder andauern lässt, muss die zum Schutz Dritter notwendigen (und zumutbaren) Vorkehrungen treffen.

Inhalt der Verkehrssicherungspflicht

Grundsätzlich müssen nur diejenigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die den Umständen nach zumutbar sind.
Ein Waldbesitzer haftet nur dann, wenn ihm ein „Verschulden“ vorgeworfen werden kann. „Verschulden“ bedeutet Vorsatz und Fahrlässigkeit, auch die „leichte“ bzw. „einfache“ Fahrlässigkeit. „Fahrlässigkeit“ bedeutet außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und setzt Vorhersehbarkeit voraus.

Verkehrssicherungspflicht im Wald

Das Betreten des Waldes erfolgt grundsätzlich auf eigene Gefahr (Art. 13 Abs. 2 Satz 1 des Waldgesetzes für Bayern bzw. § 14 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft). Nicht gehaftet wird daher für Schäden, die im Rahmen des sog. allgemeinen Lebensrisikos entstehen. Hierzu gehören typische Waldgefahren, deren Risiko der Waldbesucher selbst tragen muss. Dies sind Gefahren, die sich aus der Natur oder der sachgemäßen Bewirtschaftung des Waldes ergeben. Das gilt grundsätzlich auch an privaten Waldwegen. Typische Waldgefahren sind z. B. Trockenzweige in Baumkronen, herabhängende Äste nach Schneebruch oder Sturm oder Unebenheiten auf Wegen durch Wurzeln.
Hingegen besteht eine Haftung bei sogenannten atypischen Waldgefahren.

Dies sind Gefahren, die weder durch die Natur noch durch die Bewirtschaftung des Waldes mehr oder weniger zwangsläufig vorgegeben sind. Atypische Waldgefahren sind insbesondere vom Waldbesitzer selbst geschaffene oder geduldete Gefahren, mit denen der Waldbesucher nicht rechnen muss. Hierzu zählen z. B. nicht sicher gelagerte Holzstapel, Hindernisse auf Wegen, nicht erkennbare Wegeabsperrungen (z. B. Draht, unauffällige Schranken), Abgrabungen, defekte Stege oder Geländer. Atypische Gefahren müssen durch geeignete Maßnahmen beseitigt werden. Nur wenn dies nicht möglich oder zumutbar ist, genügen (deutlich) erkennbare Maßnahmen zur Warnung (z. B. Sperren, Sperrbänder, Piktogramme etc.).

Verkehrssicherungspflicht an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen

Öffentliche Straßen, Wege und Plätze sind durch Widmung im Straßen- und Wegerecht dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestellt. Hier gilt die sogenannte „strenge Verkehrssicherungspflicht“, also die generelle Pflicht, schädliche Einwirkungen auf die Verkehrsteilnehmer zu verhindern. Dies beinhaltet, dass im Bereich öffentlicher Straßen, Wege und Plätze die Verkehrssicherungspflicht auch im Hinblick auf atypische Waldgefahren besteht.
Auch für die sogenannten Eigentümerwege (= öffentlicher Weg, der unwiderruflich dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestellt wurde) gilt die „strenge Verkehrssicherungspflicht“.

Bei öffentlichen Feld- und Waldwegen (als solche gewidmet) gelten geringere Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht (Hier ist „...ein diesem Verkehrsbedürfnis entsprechender, hinreichend sicherer, gefahrloser Zustand der Verkehrsflächen herbeizuführen“).

Wer ist verantwortlich für die Verkehrssicherungspflicht?

Die Verkehrssicherungspflicht für Wald an öffentlichen Straßen und Wegen und Plätzen liegt grundsätzlich alleine beim Waldeigentümer des an die öffentliche Straße (etc.) angrenzenden Grundstücks. Es besteht sogar eine Mithaftung (neben der Straßenbehörde) für Bäume, die nach der Verkehrsauffassung der Straße zuzuordnen sind. Beispielsweise aus dem Wald „hervortretende“ Bäume, die Eigentümlichkeiten aufweisen, welche sie vom Waldsaum abheben und äußerlich der Straße zuordnen sind.

Was muss ich als Waldbesitzer beachten?

Sofern der Wald an einen Weg grenzt, sollte sich der Waldbesitzer zunächst erkundigen, ob es sich um einen gewidmeten - und damit öffentlichen - Weg handelt. Auskünfte hierzu erteilt die zuständige Gemeinde.
Private Waldwege gelten als Wald. Hier besteht lediglich die Verkehrssicherungspflicht bezüglich atypischer Waldgefahren.

Ausnahmen:

  • Wenn der Waldeigentümer selbst einen Verkehr eröffnet, indem z. B. für bestimmte Wege eine besondere Zweckbestimmung erfolgt oder diese aktiv beworben wird (z. B. Trimm-dich-Pfad, Reitweg, Ausweisung eines Wanderweges mit Beschilderung, etc.). Hier kann eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht entstehen.
  • Es besteht eine konkrete offensichtliche Gefahr für Leib und Leben der Waldbesucher.
  • Grenzt der Wald an einen öffentlichen Weg (…Straße, Platz), gelten folgende Empfehlungen:
    • Beurteilen Sie die Bäume im Fallbereich der Straße (mindestens eine Baumlänge) mindestens 1 x jährlich (besser 2 x jährlich) auf ihre Standsicherheit. Dies erfolgt zunächst vom Boden aus. Eine Sichtprüfung aus dem fahrenden Auto heraus genügt nicht. Nach größeren Sturmereignissen, starkem Nassschnee oder Eisregen muss zusätzlich kontrolliert werden.
    • Dabei beurteilen Sie die Baumkrone, den Stamm, den Stammfuß und den Wurzelbereich unter Berücksichtigung der standörtlichen Gegebenheiten.
    • Bäume, die eine akute Gefahr darstellen, müssen umgehend gefällt oder derart gesichert werden, dass die Gefahr beseitigt ist.
  • Beispiel: Ein Baum steht mit bereits angehobenem Wurzelteller in bedrohlicher Schieflage in Richtung Waldweg.
    • Dokumentieren Sie die Baumkontrollen und die durchgeführten Maßnahmen, am besten in einem eigens dafür geführten Heft oder Büchlein. Hierfür gibt es keine Formvorgaben.
  • Beispiel: Baumkontrolle am 01.12.2017 auf eine Tiefe von 30 Metern. Ein Baum gefällt. Bei drei Bäumen Totäste, die über die Straße ragten, entfernt. Zwei Bäume zur weiteren Beobachtung markiert.

Es wird empfohlen, die Dokumentation der jeweils letzten fünf Jahre aufzubewahren.

Bildbeispiele zur Verkehrssicherungspflicht

Entwurzelte Fichte, die auf mehreren kleineren Bäumen hängt

Angeschobene und entwurzelte Bäume

Blick in eine Baumkrone mit abgestorbenem Seitenast

Totäste

Besondere Vorschriften

Bei Erholungseinrichtungen im Wald, Waldkindergärten, Wanderparkplätzen, Bestattungswäldern, waldnaher Bebauung, aber auch bei Veranstaltungen im Wald oder durch Duldung entstehen bezüglich der Verkehrssicherungspflicht jeweils besondere Verpflichtungen. In diesem Zusammenhang wird von einer Zustimmung zum Aufstellen von Schildern oder Errichten von Erholungseinrichtungen durch Dritte ohne klare (schriftliche) Regelung bzgl. der Haftung abgeraten, da dies gesteigerte Verkehrssicherungspflichten nach sich ziehen könnte.